Die unendliche Reise des Kaffees nach Europa

Es war einmal der italienische Arzt und Botaniker Prosper Alpinus (1553-1617) …  anders als der Beginn für ein Märchen, ist die „Es-war-einmal“-Einleitung der Beginn der europäischen Kaffeegeschichte. Alpinus beschrieb nach seiner Rückkehr aus Ägypten in seinen Büchern die dortige Medizin und Pflanzenwelt. Er zählt zu den ersten Europäern, der die Kaffeepflanze zeichnete und beschrieb. Die Kaffeepflanze „Bon“ malte er als einen Strauch ohne Beeren. Über die Pflanze schrieb er: „Es ist nicht zu leugnen, dass diese den Gesunden ebenso guttut wie den Kranken“, so dass „im Osten alle ihn trinken, so wie wir den Wein.“

So brachte er nicht nur Säcke mit Kaffee nach Italien, sondern pflanzte 1591 Kaffeesetzlingen aus Äthiopien in Padua an. Ab 1603 leitete er den 1545 gegründeten, und damit ältesten, Botanischen Garten der Welt in Padua.

In seinem Buch „De aegyptis alpinus“ zeichnete der Botaniker und Mediziner Proper Alpinus die Kaffeepflanze „Bon“. Alpinus leitete später den orto botanico, den ersten botanischen Garten der Welt (Foto: Eingang) in Padova. 

Venedig, der Hafen für den Kaffee

Venedig war die Stadt des Orienthandels mit Kaffee und die erste Hafenstadt Europas. Die erste große Bohnenladung aus dem Orient erreichte die Lagunenstadt Venedig im Jahr 1624. Die venezianischen Kaufleute brachten übrigens auch den Kaffee erstmals 1657 nach Frankreich.

Der Markuslöwe – politisches Symbol der Handels-Republik Venedig – ohne Buch unter der Tatze, sondern mit einer Kaffeebohne (Grafik: Patrik Hof)

Die Serenissima erkannte das Potenzial der exotischen Ware Kaffee – Kaffee wurde zum wichtigsten Produkt des Levantehandels und der Grundpfeiler des venezianischen Wirtschaftssystems. im Jahr 1573 sagte der Senator Garzoni im Dogenpalast: „Die Türken sitzen zusammen, und um sich zu amüsieren, trinken sie in der Öffentlichkeit, in einigen Geschäften und auf der Straße, egal welcher Gesellschaftsschicht, ein schwarzes, kochendes Wasser, das aus einigen Samen stammt, die sie „cavèe“ nennen. Man sagt, es habe die Tugend, wach zu halten.“

Im Jahr 1647 eröffnete die erste Bottega del caffè „All´Arabo“ unter den Arkaden des Markusplatzes. Das Caffè Florian (Foto links) wurde 1720 eröffnet. Gegenüber vom Florian eröffnete 1775 das Gran Caffè Quadri (Foto rechts). Im 18. Jahrhundert wurde Venedig die Hauptstadt des Kaffees. 75 Prozent des importierten Kaffees wurden über den Hafen von Venedig eingeführt. Der Kaffeekonsum nahm genauso zu wie die Anzahl der Kaffeehäuser. Mitte des 18. Jahrhunderts wurden in Venedig pro Jahr 28 Millionen Cicare, wie eine Tasse in venezianischem Dialekt genannt wurde, konsumiert. Es gab bereits über 280 bottega da caffè. Alleine auf dem Markusplatz gab es 38 Cafés, unweit der Rialtobrücke waren es 18.

Der Kaffee wurde wahrscheinlich von Armeniern oder sephardischen Juden nach Venedig gebracht. Vor allem die sephardischen Juden im Ghetto Vecchio – das erste Ghetto der Welt wurde 1516 eröffnet – ist es zu verdanken, dass der Kaffee in großen Mengen nach Venedig kam. Fast hundert Personen waren innerhalb und außerhalb der „Ghettomauern“ im Kaffeehandel tätig.

Eines der berühmtesten Kaffeehäuser Venedigs ist das im Dezember 1720 vom Venezianer Floriano Francesconi gegründete Caffè Florian am Markusplatz. Der ursprüngliche Name war „Alla Venezia Tronfante“ – „zum triumphreichen Venedig“. Doch die Venezianer sagten lieben: „ndemo da Florian“ und so blieb der Name des Besitzers, Floriano Francesconi, erhalten. Der Durchreisende Honoré de Balzac schrieb über das Caffè Florian: „Das Floriàn ist zugleich eine Börse, ein Theaterfoyer, ein Leseraum, ein Klub, ein Beichtstuhl. Hier wurde auch 1893 die Kunstausstellung Biennale di Venezia ins Leben gerufen. Hier wurde auch die Biennale di Venezia aus der Taufe gehoben.

Blick in den Sala delle Stagioni des Caffè Florian (Fotos: Patrik Hof)

Auslöser der Antica Torrefazione Caffè Girani in Venedig war die Liebe zu einer Frau aus Triest. Heute ist es Liebe zur Arabica-Bohne, die ein Röster aus dem Jahr 1940 veredelt.

An der Calle del Dose befindet sich an einem ruhigen Platz (Campo della Bragora) die älteste Kaffeerösterei Venedigs, la torrefazione Girani. Seit 1928 röstet der venezianische Familienbetrieb unweit des Arsenale die Bohnen aus Süd- und Zentralamerika. Heute führt im Castello-Viertel Roberta Girani die Rösterei. Ihr Großvater Giuseppe Girani war eigentlich Fußballer und Trainer, der für Venedig, Padova und Modena auf dem Platz stand.

Girani hatte eine enge Beziehung auch zu Triest. Er war nicht nur mit Francesco Illy aus Triest befreundet, sondern er verliebte sich auch dort in eine Frau. Aus dieser Liebe entstand auch die Liebe zum Kaffee, die er nach Venedig brachte und die älteste Rösterei der Stadt gründete. Die grün-schwarzen Vereinsfarben von Venezia Calcio fanden Eingang in das Logo von „Girani Caffè“.

Der Venezianer Carlo Goldoni (1707-1793) schrieb 1750 die Komödie „La Bottega da Caffè“. Die Idee für seine Komödie „La Bottega da Caffè“ fand Carlo Goldoni in den zahlreichen Kaffeehäusern rund um den Markusplatz. Mitte des 18. Jahrhunderts gab es 588 Kaffeehäuser. Allein auf dem Markusplatz gab es 38, weitere 18 befanden sich in der Nähe der Rialto-Brücke. Der Dichter Goldoni ließ seinen Hauptprotagonisten in der „Bottega da Caffè“, den Kaffeehausbesitzer Ridolfo, sagen:

„Ich bin ein Kaffeesieder und kein Makler. (…) Ich habe einen ehrlichen Beruf, der geachtet ist, sauber und ohne Makel. Ein Beruf, der alle Schichten zufriedenstellt, der dem Ansehen der Stadt nützlich ist, der der menschlichen Gesundheit zuträglich ist und alle schaffenden Mitbürger zerstreut. Was kann es Sinnvolleres geben als einen Kaffeesieder?“

Carlo Goldoni (1707-1793), Lyriker

Viel mehr als Espresso und Cappuccino – in Italien finden sich zahlreiche weitere historische Kaffeehäuser, die oft in prächtigen Gebäuden untergebracht sind und eine lange Tradition haben. So lässt sich Kaffee in einzigartiger Atmosphäre im Antico Caffè Greco (Rom), Gran Caffè Gambrinus (Neapel), Antico Caffè Spinnato (Palermo), Caffè San Marco / Caffè degli Specchi (Triest) oder das Caffè Al Bicerin (Turin). Hier wurden Revolutionen angezettelt, Wirtschaftsunternehmen (FIAT) gegründet oder Weltliteratur – Lampedusa verfasste „Il gattopardo“ im Caffè Caflisch, James Joyce schrieb in Triest „Ulysses“ im Kaffeehaus. 

Unweit des Doms befindet sich seit 1733 das Caffè Gilli. Es wurde, wie so viele andere Kaffeehäuser, von einem Zuckerbäcker aus dem schweizerischen Kanton Graubünden gegründet. Das Kaffeehaus an der Piazza della Repubblica überzeugt mit seiner Jugendstil-architektur. (Fotos: Hof)

Florenz, die Stadt von Michelangelo

In Florenz ist seit 1733, wenige Schritte vom Dom entfernt, das Caffé Gilli eine Institution. Mitte des 18. Jahrhunderts mussten viele Konditoren ihre Heimat, die Bergtäler des schweizerischen Kantons Graubünden, wegen Armut verlassen – so auch Luigi Gilli. Er eröffnete in Florenz eine Bottega dei pani dolci, einen Laden der süßen Brote.

Gilli machte dieses Lokal schnell zu einem Treffpunkt für Intellektuelle und Künstler geworden. Der Begründer des Futurismus, Filippo Tommaso Marinetti, ging hier genauso ein und aus wie der Maler des Futurismus, Ardengo Soffici und Schriftsteller Aldo Palazzeschi. Über 225 Jahre verblieb diese Pasticceria Gilli in Besitz der Bündner Familie.

Giotto malte die Cappella degli Scrovegni von 1304 bis 1306 mit Fresken aus. Padova ist seit 2021 UNESCO-Weltkultuerbe, da die Stadt im Veneto über eine Vielzahl von kunsthistorischen Sehenswürdigkeiten verfügt – Palazzi und Kirchen sind mit Fresken reich geschmückt. Unweit der ältesten Universität der Welt eröffnete 1772 das Caffè Pedrocchi. (Fotos: Patrik Hof)

Padova, die Stadt der Fresken

In Padova eröffnete 1772 das Caffè Pedrocchi. Die „Stadt der Fresken“ im Veneto, die seit 2021 UNESCO-Weltkulturerbe ist, hat nicht nur die älteste Universität der Welt, sondern auch eines der schönsten Kaffeehäuser der Welt: das Caffè Pedrocchi, das nicht weit entfernt von der kunsthistorischen Sensation, der von Giotto ausgemalten Cappella degli Scrovegni, liegt.

1831 erhielt das Kaffeehaus die bis heute sichtbare, neoklassizistische Architektur. Es erhielt den Namen „Il Caffè senza Porte“, weil es bis Anfang des 20. Jahrhunderts Tag und Nacht geöffnet war. In ihrem Unabhängigkeitskrieg gegen die Habsburger versteckten sich aufständische Studenten im Caffè Pedrocchi – eine Kugel in der Wand aus dem Jahr 1848 erinnert bis heute in der Sala Bianca an diese Ereignisse.

Italienisches Kaffeewissen – kurz und knapp:

Die Österreicher haben den Cappuccino erfunden. Das Getränk, das ein Italiener nur bis 12 Uhr genießt, hat in der österreichischen Kaffeespezialität „Kapuziner“ seinen Ursprung. In Triest gibt es ein eigenes Kaffeevokabular: In Italien wird ein Espresso mit „un caffè“ bestellt. In Triest heißt das Getränk „un nero“. Caffelatte ist in Triest ein Cappuccino.

Aus Neapel stammt die schöne Tradition, des caffè sospeso. Ein Gast zahlt einen Espresso mehr als er selber an der Theke konsumiert, der barista notiert diesen „gespendeten caffè“ und ein Gast, der sich das Getränk nicht leisten kann, bekommt diesen schon bezahlten caffè serviert.  

2022 versuchte Italien, dass der Espresso in die UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen wird. Der Versuch scheiterte. Die türkische Kaffeekultur und die Wiener Kaffeehäuser sind bereits Teil der Welterbeliste.