Die Kaffeehauptstädte Deutschlands

Hamburg und Bremen sind die Kaffeehauptstädte Deutschlands. In Bremen gibt es sogar für den Ausdruck „einen Kaffee trinken gehen“ ein eigenes Dialektwort. Im Bremer Schnack sagt man: Kaffeesieren.  Friedrich Engels absolvierte seine kaufmännische Lehre von 1838 bis 1841 in Bremen. Von ihm stammt der Satz: „Unter die Dinge, die mir verhaßt sind, (…) gehört ein Kaffee ohne Bohnen.“

Vor 350 Jahren in Bremen: Eröffnung des ersten Kaffeehauses

Am Marktplatz von Bremen steht das Gebäude der Bremer Kaufmannschaft, das Schütting. In diesem Gebäude wurde im Jahr 1673 das erste Kaffeehaus in Deutschland eröffnet. Der Rat der Stadt Bremen hatte dem Holländer Jan Jantz van Huesden die Erlaubnis „Coffi, Potasie und Schokelati“ zu verkaufen. Van Huesden war Kaffeehändler. Er röstete die Bohnen selbst in einer Pfanne oder Rösttrommel, mahlte diese und verkaufte das Getränk in seiner Kaffeeschenke.

Das Schütting, das zwischen 1537 bis 1538 errichtet wurde, fällt mit seiner prachtvollen Außenfassade auf.

Der exotische und fremde Geruch zog durch Bremens Straßen, die damals rund 20.000 Einwohner hatte. Das erste Kaffeehaus war eröffnet. Aus dieser Zeit ist noch eine Original-Kaffeekanne erhalten. Die so genannte „Klantjes-Kaffeekahne“ mit drei Zapfhähnen. Hamburg folgte wenige Jahre später. Dort öffnete im Jahr 1679 im Einbeckschen Haus, dem ehemaligen Rathaus, das erste Kaffeehaus.

Hamburger Hafen – das Tor zur Kaffeewelt

Durch die Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1871 erlebte die Wirtschaft einen ziemlichen Aufschwung. Der Hamburger Hafen wurde zu einem Freihafen erklärt. Dies ermöglichte die zollfreie Einfuhr und Verarbeitung

Hiervon profitierte die Hansestadt im Wettbewerb zu anderen Hafenstädten ungemein. Kaffee wurde im Kaiserreich zum Importschlager. Im Jahr 1886 wurde der „Verein der am Kaffeehandel betheiligten Firmen zu Hamburg“ gegründet. Dieser Zusammenschluss an Kaffeehändler trieben auch die 1887 erfolgte Gründung der Kaffeebörse am Sandtorkai voran. 

In der Hamburger Speicherstadt befindet sich der alte Börsensaal der historischen Hamburger Kaffeebörse – heute Teil des Ameron Hotels Speicherstadt. Diese Börse zählte jahrzehntelang als der wichtigste Handelsplatz in Europa. Viele Originalgegenstände wie eine Kurstafel sind noch enthalten. Sehr schön ist das Glasmosaik am Kopfende des Börsensaals.

Historische Kaffeebörse in Hamburg

„Zwei franko Geld!“, „Santos Geld!“ – die Geheimsprache der Börsenmakler hallte durch den Börsensaal. Minütlich liefen telegraphische Nachrichten an Börse über Wetterverhältnisse, über Kaffeevorräte in Brasilien oder Santos und die Verkaufspreise ein. Hamburg war die wichtigste Kaffeebörse in Europa – Le Havre, London oder Amsterdam waren im Ranking der Handelsplätze auf den nächsten Positionen.

Der Hafen in der Scheldenmetropole Antwerpen hat mittlerweile beim Kaffeeimport den Hamburger von der Spitzenposition verdrängt.

Hafenlogistik der Spitzenklasse: Kaffeehandel mit Ländern aus allen vier Windrichtungen

Jährlich werden rund 700.000 Tonnen Rohkaffee im Hamburger Hafen umgeschlagen. Nach Antwerpen ist der Hafen in Hamburg Europas größtes Importzentrum für Kaffee. Von Südamerika bis Hamburg und Bremen dauert die Schiffsreise rund drei Wochen.

Insgesamt importierte Deutschland 1,1 Millionen Tonnen Kaffee (2021). Wer eine Tasse Kaffee genießt, genießt immer auch ein Stückchen Hamburg. Denn mit 700.000 Tonnen Rohkaffee können rund 80 Milliarden Tassen Kaffee, Espressi und Cappuccini zubereitet werden. 

Speicherstadt Hamburg: Lager für Kaffeevorräte seit Jahrzehnten

Mit dem Bau der Speicherstadt ab 1885 erlebte der Hamburger Hafen eine zweite Kaffeeblüte. Der Sandtorkai war von Ende des 19. Jahrhunderts bis Mitte des 20. Jahrhunderts Europas größter Kaffeemarkt.  Die Hamburger Speicherstadt ist seit 2015 UNESCO-Weltkulturerbe. In der Speicherstadt entstanden zum Ende des 19. Jahrhunderts riesige Lagerhäuser, in dem die Rohkaffeehändler, Kaffeeimportfirmen und Makler zu Hause waren.

Mit Kaffeesäcken beladene Schuten wurde die Ware über die Fleete in die Lagerhäuser transportiert. Ein Großbrand in Block M im Jahr 1891 zerstörte ein riesiges Kaffeelager und die dazu gehörige Rösterei. 

Aufgrund der Bedeutung der Speicherstadt für den Kaffeehandel gibt es einen eigenen Platz, den Coffee Plaza

Die „Aschenbrödel des Kaffees“

Auf den Speichern und Böden arbeiteten an langen Tischen viele Hunderte Frauen, die die frischen Kaffeebohnen nach so genannten „Stinkern“ suchten. Damit waren Bohnen gemeint, die schon zu lange gegärt sind. Für einen Wochenlohn von 10 Reichsmark arbeiteten die Kaffeeverleserinnen, auch „Putzfrauen des Kaffees“ genannt, von 7 Uhr morgens bis 8 Uhr abends.  Wegen der schlechten Arbeitsbedingungen kam es 1896 zu einem Streik der Midjes. Ein Jahr zuvor nannte Bismarck bei seinem Besuch des Freihafens die Midjes die „Aschenbrödel des Kaffeehandels.“ 

Das Kaffee-Pantheon – im Auftrag der Bohne

Noch mehr spannende Kaffeegeschichten gibt es im Kaffeemuseum Burg in der Speicherstadt, das unweit der U-Bahnhaltestelle Meßberg liegt. Am St. Annenufer 2 gibt es nicht nur die Spezialitäten aus der über 100-jährigen Kaffeerösterei Burg, die im Hamburger Viertel Eppendorf ihr zu Hause hat,  sondern Kaffeeliebhaber tauchen im Gewölbekeller des Originalspeichers aus dem Jahr 1896 in die faszinierende Welt der Bohne ein.

Hunderte Objekte werden dort im ehemaligen Kaffeespeicher von Hansen & Studt Kaffee gezeigt – von der Behrens-Kanne über einen 90-jährigen Trommelröster, Reklameschilder bis hin zu historischen Kaffeemühlen. Die Originalholzbalken – eine Besonderheit, die es nur noch selten an dem UNESCO-Kulturerbeort Speicherstadt gibt – sind hier genauso noch vorhanden wie die Maschinen, an denen früher Kaffeeverleserinnen die neue, in den Hamburger Hafen importierte Kaffeeware auf Qualität überprüften.

Deutsche Kolonialgeschichte

Kaffee hat einen engen Bezug zur deutschen Kolonialgeschichte. Die Hafenstadt Bremen wurde zu dem Umschlag- und Veredelungsort kolonialer Waren wie Baumwolle, Tabak und Kaffee. Im Bremer Stadtteil Blumenthal erinnern viele Straße noch an die Kolonialzeit, wie die Kaffeestraße. Im „Dritten Reich“ trug Bremen den Titel „Stadt der Kolonien“. Auch Hamburg sollte ein Scharnier zwischen dem Deutschen Reich und den Kolonien darstellen.

Aus den besetzten Gebieten in Afrika bezog das Kaiserreich den Kaffee. So wurde der Usumbara-Kaffee aus der Gegend des heutigen nördlichen Tansanias verkauft. Kaffee wurde in den Jahren 1894 bis 1918 aus folgenden Kolonien importiert: Deutsch-Südwestafrika (heute: Namibia), Kamerun, Togo Deutsch-Ostafrika (heute: Tansania, Burundi und Ruanda), Neuguinea (nördlicher Teil Papua-Neuguinea).

Sklaven auf den Plantagen schufteten, damit der Kaffee für die Kolonialmächte Deutschland, Belgien, England oder Frankreich rentabler wurden. 

Auf dem Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf ist der Gouverneur von Ost-Afrika und Ostafrikaforscher, Gustav Adolf Graf von Goetzen (Foto: Patrik Hof), beerdigt. Er war für die blutige Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstandes von 1905 bis 1908 verantwortlich, einer der gewaltsamsten Kapitel deutscher Kolonialgeschichte. Arbeitszwang, hohe Abgabenlast und Unterdrückung durch die deutschen Kolonialherren waren die Auslöser für diesen Aufstand. Es starben rund 300.000 Einheimische im ehemaligen Deutsch-Ostafrika durch die deutschen Kolonialtruppen.

Der Kaffee war ein „Plantagenprodukt der Europäer“, wie es in der Zeitschrift „Der Tropenpflanzer“ unter der Rubrik „Aus den Kolonien“ hieß. Ohne die Eroberung weiter Teile der Welt wäre die heutige globale Verbreitung des Kaffees kaum denkbar.

Die beiden Bremer Adolf Lüderitz und Heinrich Vogelsang nahmen einen Teil der Küste von Südwestafrika in den Besitz, weil diese noch keiner anderen europäischen Macht gehörte. Am 24. April 1884, der Tag geht als Gründungstag für die deutsche Kolonialpolitik in die Geschichtsbücher ein. Bismarck erklärte das 300 Kilometer lange und 150 Kilometer breite Küstenstück nördlich und südlich der Buch Angra Paquena zum deutschen Schutzgebiet. Der kleine Hafen legte seinen portugiesischen Namen ab und hieß bald wie der Bremer Tabakhändler: Lüderitz. 

Nach einem Gebiet des heutigen Namibias wurden Togo und Kamerun unter die schwarz-weiß-rote Flagge des Deutschen Reiches gestellt – Deutsch-Ostafrika war nun die erste Kolonie, die unter deutschem Reichsschutz stand.

Profiteure des Kolonialgeschäfts

Deutsche Kaufleute verdienten mit Kolonialwaren gutes Geld. Mit dem Aufstieg der Wirtschaft im Deutschen Reich wurde der Ruf nach kapitalkräftigen Bankinstitute immer lauter. Der Reeder, Kaufmann und Kaffeehändler Theodor Wille hatte 1844 im brasilianischen Santos die Firma „Theodor Wille & Co“ gegründet. Santos war bis zu diesem Zeitpunkt ein unbedeutender kleiner brasilianischer Hafen. Bis zum zweiten Weltkrieg stieg diese Firma zum wichtigsten Exporteur brasilianischen Kaffees au. Um den wachsenden Finanzierungsbedarf zu sichern, regte der Hamburger Kaffeehändler Wille die Gründung der „Commerz- und Disconto-Bank“ an.

Gemeinsam mit anderen Kaufleuten, Privatbankiers und Merchantbanker – in Hamburg entwickelte sich diese besondere Berufsgruppe, die Kaufleute und Bankiers gleichermaßen waren – unterzeichnete der brasilianische Kaffeeexporteur Wille im Februar 1870 die Gründungsurkunde der Aktiengesellschaft. Die Bank öffnete ihre Pforten in der Hamburger Bergstraße. Der Name „Commerz- und Disconto-Bank“ stand für das Ziel des neu  gegründeten Bankinstituts, den „Handel und Verkehr“ (lat. Commercium) zu fördern. Neben der im Außenhandel üblichen Diskontierung von Wechseln sollte sich die Bank auch um Effekten-, Giro- und Gründungsgeschäfte kümmern.     

Bremer Roselius und seine Erfindung

Der „Kaffeebaron“ Ludwig Roselius erfand in Bremen den koffeinfreien Kaffee. Im Jahr 1906 gründete er im Holzhafen sein Entkoffeinierungswerk Kaffee HAG.

Büste des Kaffee-Hags-Gründers Ludwig Roselius

In der Bremer Böttcherstraße befindet sich in den alten Wohnräumen von Ludwig Roselius ein einzigartiges Kunstmuseum. Vor dem Gebäude befindet sich die Roselius-Büste von Bernhard Hoetger. Im Holzhafen befindet sich das ehem. Firmengebäude mit dem Kaufmannscasino (Foto: rechts), das bei einer Röstereiführung bei Lloyd besucht werden kann.

Zur Blütezeit des Bremer Kaffeehandels gab es zwischen 1920 und 1938 rund 250 Kaffeeröstereien. Im riesigen Gebäudekomplex von Kaffee HAG, der ersten Kaffeefabrik, ist seit ein paar Jahren die älteste Bremer Rösterei Lloyd-Rösterei (1930) (Foto: rechts) zu Hause. Hier gibt es regelmäßig Röstereiführungen mit Kaffeeverkostung. Bei dieser Gelegenheit kann jeder Interessierter auch einen Blick in das ehem. Kaufmannscasino, das mit Marmor ausgekleidet ist, werfen.

Vom Kaffeekaufmann zum Fotografenstar: die unglaubliche Karriere des Hamburgers Herbert List

Eine eindrucksvolle Karriere vom Kaffeekaufmann zum Kunstfotografen schaffte der Hamburger Herbert List (1903-1975). Als Nachkomme der Hamburger Kaffeeimportfirma List & Heineken sollte er nach dem Wunsch seines Vaters auch Kaffeehändler werden. Doch bereits auf seinen Handelsreisen in die Kaffeeländer Mittel- und Südamerikas (Costa Rica, Brasilien, Guatemala, San Salvador) hatte List bereits seine Kamera dabei.

Viele seiner Fotografien über die Kaffeeplantagen sind in dem schönen Bildband Caribia erschienen. Nach einer Begegnung mit dem Fotografen Andreas Feininger im Jahr 1930 hing List sein bürgerliches Leben eines Kaffeekaufmanns an den Nagel und widmete sich komplett der Fotografie. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten musste er als „Vierteljude“ und bekennender Homosexueller aus Hamburg fliehen – er lebte danach in Paris, London und Athen. Nach 1945 dokumentierte List die Münchner Ruinen.

Diese zeitgeschichtliche Dokumentation über das zerstörte München wurde in dem Buch „Memento 1945“ veröffentlicht. Davor wurde eine Auswahl seiner Fotos in der Kulturzeitschrift Du (Schweiz) und der Illustrierte Heute (amerik. Militärregierung) abgedruckt.

Als Mitglied der Fotoagentur Magnum und als Mode- und Porträtfotograf machte List sich in den 1950er Jahren schnell einen Namen. Künstlerporträts von Pablo Picasso, Marc Chagall und Marlene Dietrich machten ihn genauso bekannt wie sein Coverfoto für die Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ von Ingeborg Bachmann. 

Mit seinen in Rom entstandenen Fotos von Bachmann verhalf List der jungen Schriftstellerin zum Ruhm. Im Jahr 2022 gab es in seiner Heimatstadt Hamburg im Bucerius Kunst Forum eine geniale Retrospektive über Herbert List. Diese ist mit der Herbert List Estate und der Sammlung Fotografie im Münchner Stadtmuseum

in dem über 1000 Fotonegative archiviert sind, kuratiert worden. Anlässlich der Ausstellung im Hamburger Bucerius-Forum sind eine Vielzahl seiner Schwarzweiß-Fotografien in dem sehr empfehlenswerten Katalog „Das magische Auge“, der im Hirmer-Verlag 2022 erschienen ist, zu finden.