Das Imperium des Karo-Königs begann im Jahr 1828. Hier legte Johann Heinrich Franck in Vahingen an der Enz, später Ludwigsburg, den Grundstein für die größte Kaffeefabrik des 19. und 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1971 fusionierte das Unternehmen mit der  Nestlé AG. Genau 150 Jahre nach dem Start der Produktion im Ludwigsburger Stammwerk stellte  Nestlé den Betrieb im Jahr 2018 ein.

Ursprung des Kornkaffees

Nach einer absolvierten Ausbildung zum Kaufmann und Zuckerbäcker kam Johann Heinrich Franck (Foto links: Wikimedia Commons) nach Frankreich. In Reims erfuhr er, dass ein normaler Bohnenkaffee mit Zichorie gestreckt werden konnte. Er gewann einen Einblick in die französische Kaffeezusatzindustrie. Auslöser für die Kaffeezusatzindustrie war Napoleon. Denn er verhängte im Jahr 1806 die Kontinentalsperre (1806) über das Vereinigte Königreich und seinen Kolonien. Hieraufhin arbeiteten Chemiker, Techniker und Pharmazeuten daran mit Hilfe von pflanzlichen Ersatzstoffen die Kolonialwaren zu ersetzen. Dieses Verbot von Kolonialwaren hatte Auswirkungen auf die Einfuhr von Rohrzucker sowie auf den Tee- und Kaffeehandel. Durch diese Wirtschaftsblockade durfte kein Kaffee mehr nach Europa importiert werden.

Nach seiner Rückkehr (1822) aus Frankreich unternahm Franck seine ersten Versuche Zichorienkaffee selber herzustellen. Hierfür gründete er 1828 in Vaihingen an der Enz eine Zichorienfabrik, die unter dem Namen Heinrich Franck Söhne bekannt wurde. Er stellte aus der Wurzel der Cichoria erstmalig Ersatzkaffee her. Kaffeeersatz aus Zichorie ist die veredelte Form der in Europa heimischen Wegwarte. Für die Herstellung wurden die Wurzeln gewaschen, „geschnitzelt“ und in Trockenöfen getrocknet. Nach dem Röstvorgang wurden die Zichorien zu Mehl vermahlen. Dieses Zichorienpulver wurde dann verpackt.

Auf dem ersten Versuchsfeld baute er auf einem nahegelegenen Acker zunächst die Edelzichorie an. Er erkannte den Wert des Zichorien-Kaffees. Zichorien (Foto: Wikimedia Commons) waren ein wichtiger Bestandteil des kaffeeähnlichen Getränks, auch Muckefuck genannt.

Mit der fabrikmäßigen Herstellung von Kaffeezusatz konnte Franck schnell große Einnahmen generieren. Franck gewann zahlreiche Bauern in der Umgebung, die für ihn die unbekannte Pflanze Zichorie auf den eigenen Äckern anpflanzten.

Ludwigsburg, die Hauptstadt der „Cichoria“

Johann Heinrich Franck bestimmte vor seinem Tod noch die Verlegung der Firma von Vaihingen an der Enz nach Ludwigsburg – hierfür ausschlaggebend war

die Zuganbindung, weil die Fabrik von 1862 bis 1868 direkt neben den Gleisen errichtet wurde. Ab 1869 produzierte Franck in Ludwigsburg. Hier errichtete er imposante Lager- und Produktionshallen mit Rösterei (siehe Foto rechts). Von nun an strömte der malzige Geruch der verarbeiteten Zichorie durch die Straßen Ludwigsburgs. Hier entwickelte sich die Zichorien-Kaffeesurrogat-Fabrik von einem regionalen Unternehmen in die größte Kaffeefabrik Deutschland.

Unter dem Enkel Robert Franck, der 1877 in das Unternehmen seines Großvaters eintrat, expandierte das Unternehmen. Ein Spitzname aus der Schulzeit gab später dem bekanntesten Produkt, Caro-Kaffee, seinen Namen. Denn sein Enkel, Robert Franck (1857 – 1939), wurde von seinen Klassenkameraden Kaffee-Robert, abgekürzt Karo, gerufen. Aufgrund der internationalen Markenbekanntheit entschied sich das Unternehmen jedoch das K gegen ein C einzutauschen.

Kaffeemittel-Imperium und der Weg zum internationalen Lebensmittelkonzern

Von der Villa in Ludwigsburg – Foto links – setzte Robert Franck seine Unternehmensstrategie um und eröffnete schon bald weitere Fabrikanlagen. Franck erkannte nicht nur das Marktpotenzial seines Produkts, sondern schützte auch den Warennamen. Ein  damals eher ungewöhnlicher Geschäftsvorgang. Heute würde man sagen, dass er für die Corporate Identity des Unternehmens verantwortlich war. Er konnte den Umsatz immer weiter verdoppeln – einen Reichtum, den er dann auch zeigte. So ließ er in Murrhardt – nordöstlich von Stuttgart, im Rems-Murr-Kreis – für 300.000 Goldmark eine Jugendstilvilla mit 42 Zimmern errichten mit einer monumentalen Freitreppe errichten.

Schon bald wurden in Halle, Linz, Krakau oder in Basel Firmenniederlassungen eröffnet.

Ein Übersichtsplan zeigt die Dimension der Fabrik Franck in Linz. Im oberen Stockwerk befindet sich die Vorstandsetage (Foto rechts)

Heinrich Franck & Söhne in Linz

Für den österreichisch-ungarischen Markt wurde 1879 eine Niederlassung in Linz eröffnet. Sie entwickelte sich zur größten Kaffeemittelfabrik in der Habsburgermonarchie.

Heinrich Franck-Fabrik in Halle an der Saale

In der ehemaligen Staudenmühle eröffnete Heinrich Franck 1883 seine Fabrik in Halle an der Saale. Hier konnte er die Zichorie aus der Magdeburger Börde direkt verarbeiten und musste diese nicht mehr, wie ursprünglich, nach Ludwigsburg transportieren. Dort gab es bereits im 19. Jahrhundert schon Zichorienanbau und -verarbeitung. Auch gab es bereits Firmen, die aus der Wurzelzichorie Kaffee-Surrogat herstellten.

Farbrikgelände in Halle an der Saale

Die Übersicht zeigt, dass die Provinz Sachsen und hier vor allem die Gegend der Magdeburger Börde eine Vorreiterrolle bei der Zichorienproduktion inne hatte.

Braune Bohne für Braunhemden

Ende der 1920er Jahre beschäftigte das Unternehmen über 3000 Arbeiter. Viele Industrielle förderten die NSDAP mit Spenden – auch der Inhaber des Kaffeeunternehmens Heinrich Franck. Richard Franck (1871-1931) war mit seinem Unternehmen zum weltgrößten Hersteller von Ersatzkaffee aus Zichorien aufgestiegen. Über seinen Bruder Johann Heinrich Franck (1888-1954), der Hitler aus Linzer Schultagen kannte, kam es zum Kontakt.

Im September 1923 finanzierte Franck in Höhe von 60.000 Schweizer Franken den Unterhalt der Parteizeitung „Völkischer Beobachter“. Am 17. Januar 1942 äußerte Hitler bei einem Tischgespräch in der Wolfsschanze: „Ohne die Bekanntschaft mit Richard Franck, dem Korn-Franck, hätte ich den Beobachter nicht durchbringen können.“ Die Rolle von Richard Franck gegenüber den NS-Machthabern ist nicht klar und eindeutig. Da er vor dem Machtantritt starb ist es nur eine Spekulation, wie sich der einstige Bewunderer unter den neuen politischen Bedingungen verhalten hätte.

Ungeachtet dessen blieb die Nachfrage im Dritten Reich nach Kornkaffee ungebrochen hoch. Das lag weniger am Geschmack als an den Preisen. So kostete ein Pfund Bohnenkaffee fast das Zehnfache wie ein Pfund „Kornkaffee“ aus Getreide. Zwischen 1937 und 1939 nahm der Bohnenkaffeekonsum stark zu. Dies hing auch mit der 1936 erreichten Vollbeschäftigung zusammen, weil sich die Menschen jetzt Kaffee leisten kosten. Mit dem Kriegsbeginn im Jahr 1939 brach der Kaffeeimport jedoch wieder vollkommen ein – die Kaffeebohnen sollten den Soldaten vorbehalten bleiben. Das Volk trank Ersatzkaffee aus Getreide.